UFO-Logisches für Archäologen: Der Beinring
Ein UFO ist eigentlich ein unidentifiziertes/unbekanntes Flugobjekt (engl. unidentified flying object). Archäologen bezeichnen mit dem Begriff aber auch gerne Unbekannte Fund Objekte, von denen Sie die genaue Funktion oder das Alter nicht genau wissen.
Unter dem Titel “UFO-Logisches für Archäologen” sollen hier aber nach und nach nichtarchäologische kleine unscheinbare Objekte vorgestellt werden, deren Alter und Funktion bekannt sind, deren Datierung und Interpretation aber im Falle einer Entdeckung bei einer Ausgrabung sehr schwierig bis unmöglich wären. Da ich selbst Mittelalter- und Neuzeitarchäologe bin, seien mir diese mitunter spöttischen und selbstkritischen Gedanken dazu erlaubt.
Bei dem ersten Beispiel handelt es sich um einen kleinen gedrechselten Beinring, also um einen Ring aus Tierknochen. Herstellungstechnik und „Patina“ lassen ein höheres Alter erwarten, der geringe Innendurchmesser schließ eine Verwendung als Fingerring aus. „Entdeckt“ wurde das Stück nicht bei einer Ausgrabung sondern auf einem Trödelmarkt in einer Kramkiste. Zur Herkunft und zum Alter konnte der Verkäufer keine wirklich sachdienlichen Angaben machen: „stammt von der Oma“. Oma war aber schon tot, die konnte man also nicht mehr fragen.
Mit der Zeit konnte ich einen ganzen Beutel solcher Beinringe erwerben, mit unterschiedlichen Durchmessern, kleine bis große Exemplare, die auch als Fingerringe verwendbar wären.
Gedrechselte Beinringe gab es natürlich auch schon im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, u.a. an Gebetsschnüren (als „Paternosterperlen“). Sie treten immer wieder bei Grabungen auf.
Bei den hier vorgestellten Exemplaren handelt es sich aber um „schnöde“ Gardinenringe aus dem 19. Jahrhundert. „Im Zeitalter der Romantik wurde die Gardinenstange mit Ringen zum Aufhängen der Vorhänge erfunden“, wie man auf einer Seite für Raumausstatter lesen kann. Das ist sehr ungenau formuliert, die Romantik ist ja eher eine literarische Epoche (ca. 1795–1848), aber für die Datierung von Gardinenringen aus Knochen in das 19. Jahrhundert passt das allemal.
Natürlich gab es damals auch Gardinenringe aus Messing- und Eisendraht, aber die hatten den Nachteil zu rosten und zu korrodieren und so die angenähten Fäden zu verfärben. Sie waren für die leichten Stoffe auch zu schwer und glitten nicht so leicht über die Metallstangen. Leichter Kunststoff war noch nicht erfunden und so wurde der seit Jahrtausenden benutzte Werkstoff Knochen, wie für viele andere Objekte auch noch im 19. Jahrhundert, „entdeckt“. Die Ringe konnte man immer noch mal wieder verwenden, für was auch immer, und so wanderten sie mit der Zeit in „Omas Nähkästchen“, wo einige die Zeit bis heute überdauert haben.
Also: Nicht jeder Beinring, den man irgendwo findet muss gleich aus dem Mittelalter stammen!
Und wer gerne auch solche Beinringe haben möchte, aber keine Lust hat auf dem Flohmarkt auf die „Pirsch“ zu gehen oder keine Oma mit Nähkästchen hat kann sie auch – in neuer Ausführung – online bei Reenactors kaufen.